Saskia Moll

Wie alles begann

Als ich 11 Jahre alt war starb meine Oma. Dies war mein erstes Erlebnis mit dem Tod. Wir lebten in Schleswig Holstein, und meine Oma starb auf der Insel Borkum, ihrer Heimat. Wir waren uns nicht besonders nah, und doch gibt es ein Gefühl, einen Geruch, etwas, das mich mit ihr verbindet.
Und ich habe eine Erinnerung zu der Veränderung in unserer Familie, nachdem die Nachricht ihres Todes uns erreichte.

Eine Schwere und ein Schleier des Schweigens legte sich über uns.

Ich stellte keine Fragen. Zur Beerdigung war ich nicht eingeladen. Ich wurde für die Zeit untergebracht. Das Leben ging weiter.

In mir blieb etwas unvollendet.

Nach meinem Realschulabschluss machte ich ein freiwilliges soziales Jahr in einem Altenpflegeheim. Eingesetzt war ich auf einer Station mit 30 schwerstpflegebedürftigen Menschen. Fast alle starben in diesem Jahr.

Ich erlebte den Tod im Pflegeheim.

Die Sterbenden wurden mit Nahrung, oft über eine Magensonde, mit Hygiene, mit Tabletten versorgt. Sie wurden gewaschen und gelagert. Währenddessen bekamen sie von den PflegerInnen freundliche Aufmerksamkeit. Glück hatten die Menschen, deren Angehörige oder Mitbewohner der Mehrbettzimmer sich liebevoll kümmerten.

Die PflegerInnen konnten das nicht leisten.

Ich setzte mich so oft es ging zu den Sterbenden, hielt ihre Hand und sah die Angst der alten Menschen, die damals noch zwei Weltkriege miterlebt hatten. Sie entspannten sich, wenn ich bei Ihnen saß.
Mit diesem sozialen Jahr war mein Interesse an der Endlichkeit des Lebens und deren Gestaltung erwacht.

Jeder Mensch stirbt. Jeder Mensch trauert. Für jeden Menschen ist es eine große Unterstützung, sich in einer solchen Situation gesehen und gehalten zu fühlen.

Im Berufsleben war ich als examinierte Altenpflegerin mit den begrenzten Möglichkeiten der guten Begleitung im Berufsalltag konfrontiert. Als Dementis Care Managerin begleitete ich Menschen über einige Jahre in ihrem langsamen Abschied vom Leben und voneinander.
Ich machte eine Zusatzausbildung zur ehrenamtlichen Sterbebegleiterin, zur ehrenamtlichen Trauerbegleiterin und in der Telefonseelsorge.

In Oldenburg, Greifswald und Lübeck habe ich bei den jeweiligen ambulanten Hospizdiensten als ehrenamtliche Sterbe-und Trauerbegleiterin gearbeitet. Die Trauer begleitete ich in Einzel- und Gruppensitzungen und in der Leitung eines Trauercafès.
Trauerreden habe ich bisher auf persönliche Anfrage von Freunden und Bekannten gehalten.

In meiner eigenen Erfahrung mit Trauer haben mich der Abschied und Tod meiner Mutter nach einer Krebserkrankung und der Tod ohne Abschied von meiner besten Freundin bei einem Flugzeugabsturz geprägt.

Seit 2023 bin ich zertifizierte Sterbeamme.

Die Ausbildung zur Sterbeamme hat mich inspiriert, meine Erfahrung im Bereich Sterben und Trauer in die Welt zu bringen.

Hintergrund Bild © Tom